Hinter den Kulissen: Martin Klöcker
Hinter den Kulissen: Martin Klöcker
Martin Klöcker hat als Reifenmonteur für Hoosier und Hankook so einiges erlebt - Der Blick hinter die Kulissen verrät, dass der 43-Jährige nicht nur Leidenschaft für seinen Beruf hat, sondern ganz genau weiß, worauf es ankommt 
Seit rund vier Jahren übt Martin Klöcker den Beruf des Reifenmonteurs im Motorsport aus. Egal, ob es Europa oder die Arabische Halbinsel ist, der Deutsche macht bei seiner Berufsausübung keine Unterschiede und betreut Teams auf der Nürburgring Nordschleife, in der EuroNASCAR und in der 24H Series. 

Im Gespräch mit 'Leftturnsonly.de' verrät der ehemalige LKW-Fahrer unter anderem, was den Reiz ausmacht, welche notwendigen Fertigkeiten es dafür braucht und warum ihm die EuroNASCAR besonders am Herzen liegt. 

Montage: Absprache und System sind das A&O 
Klöcker, der als Quereinsteiger vor rund vier Jahren bei der Schlag GmbH (Inhaber: Günter Schlag) angeheuert hat, ist aus der EuroNASCAR nicht mehr wegzudenken. Als Teil des Hoosier-Montageteams, das sämtliche Rennen begleitet, nimmt der 43-Jährige zusammen mit "seinen Jungs" an den jeweiligen Strecken die Bedürfnisse und Wünsche der Rennteams entgegen. 

Während den Teams der Service das gesamte Wochenende über zur Verfügung steht, hat sich über die Jahre vor allem der Freitag als der stressigste Tag herauskristallisiert. "Die meisten Teams kommen am späten Nachmittag bzw. Abend und wollen ihre Reifen montiert haben. Da muss man den Überblick, aber auch die Coolness bewahren, keine Fehler zu machen. Glücklicherweise sprechen alle Englisch, was uns enorm hilft", macht Klöcker klar, betont aber: "Ist der Regen vorhergesagt, kann auch ein Samstag deutlich anstrengender werden." 

Um den Stress zu bewältigen, aber auch Fehler auszumerzen, hat das Team eine spezielle Arbeitsweise entwickelt. So herrscht zu Stoßzeiten eine klare Rollenverteilung, wobei ein Mann am Abzieher und zwei bei den Montage-Maschinen stehen. Um am Ende des Prozesses die richtige Menge Luft in die Reifen zu lassen, steht ein vierter Mann bereit, der die Pneus mit einem Luftdruck "zwischen zwei und zweieinhalb Bar" übergibt. Wichtig dabei: Die Ab- und Rücksprache. 

Dieses System greift gerade dann am besten, wenn nicht nur Trocken-, sondern auch Regenreifen montiert werden. "Bei Regenreifen muss man auf die Laufrichtung achten. Die Teams sagen uns dann immer, wie viele Reifen sie für die rechte und wie viele sie für die linke Fahrzeugseite brauchen. Da teilen wir uns dann bei der Montage auf, wobei einer nur links- und einer nur rechtsseitige Reifen macht. Das gibt uns die beste Möglichkeit, die Kontrolle zu behalten." 

Technik und Übung sorgen für das Know-How 
Einen Rennreifen zu montieren, bedarf einer Menge Geschick, wie Klöcker selbst lernen musste: "Um es zu können, reicht zuschauen nicht. Man muss da schon selbst Hand anlegen und Stunden investieren. Das ist aber auch wichtig, um die Technik und Schritte zu verstehen. Natürlich hilft es, wenn man in seinem Berufsleben bereits mit Autos zu tun hatte [z.B. Mechaniker, Anm.], aber das ist nicht unbedingt notwendig, solang man engagiert ist und es wirklich will." 

Klar ist, dass ein "Pkw-Reifen definitiv nicht mit einem Rennreifen vergleichbar" ist. Genauer erklärt heißt das: "Das Gummi bei einem Pkw-Reifen ist deutlich weicher als jener eines Rennreifens. Während man den vom Pkw fast schon mit der Hand auf die Felge drücken kann, muss man beim Rennreifen bei der Montage die Diagonale perfekt erwischen. Aber da kommen dann aber auch Hilfsmittel zum Einsatz." 

Das Rad eines EuroNASCAR-Autos (330/700 R15) ist in Europa einzigartig. Klöcker, der auch Erfahrung in der TCR- und GT-Szene gesammelt hat, weiß aber, dass das bei der Montage keinen Unterschied macht: "Die Technik ist im Grunde unabhängig davon, mit welchem Typ Felge ich zu tun habe. Und auch, ob die Felge aus Carbon, Aluminium oder Stahl ist. Einzig bei Magnesium muss man aufpassen, da das Material schnell spröde werden kann. Aber da kann man auch beispielsweise mit Schützern aus Kunststoff arbeiten, um beim Einspannen am Drehtisch die Felge nicht zu beschädigen." 

EuroNASCAR: Die "große Liebe" 
Als Reifenmonteur war Klöcker bereits in Europa und im Nahen Osten tätig. Auch wenn die Rennstrecken ihren eigenen Reiz bieten, weiß Klöcker, der selbst nur einen Steinwurf von der Nürburg entfernt wohnt, für welche Serie er am liebsten arbeitet: "Ganz klar die EuroNASCAR. Dort ist alles familiärer und die V8-Rennautos sind einfach der Hammer. Das ist einfach etwas anderes, wenn man dort arbeitet." 

Doch auch wenn der 43-Jährige mit Leidenschaft und Herzblut dabei ist und stets das Positive sieht, hat er auch die Schattenseiten kennengelernt. "Keine Frage, wenn wir beim 24-Stunden-Rennen in Dubai sind, ist das zwar großartig, aber wenn wir [für Hankook] auch mal 18 Stunden am Stück am Band stehen, zerrt das an einem." 

"Das ist beinhart und nicht für jedermann etwas. Die Temperaturen sind hoch und die Konzentration schwindet. Das gehört definitiv zur härteren Phase meiner 35 Wochen, die ich unterwegs bin", rundet er ab.

Nachwuchs: "Hält sich in Zaun" 
Neben den Einsätzen an den Rennstrecken und bei Testfahrten geht Klöcker seinen Diensten im Reifenlager der Schlag GmbH nach und kümmert sich unter anderem um den Versand. "Das Lager ist groß. Das muss es aber auch, weil wir eine große Bandbreite an Kunden haben, die gewisse Reifendimensionen brauchen. Ich habe definitiv zu tun." 

Doch während der Berufserfahrene fest im Sattel sitzt, ist der Arbeitsmarkt gerade bei der Jugend ein vakantes Thema. Das gilt auch für diese Berufssparte: "Wenn ich so über den Tellerrand blicke, muss ich leider sagen, dass sich der Nachwuchs in Zaun hält. Das ist schade, denn es ist ein toller Beruf, den man aber ganz klar mit der richtigen Menge Leidenschaft und Motivation machen muss." 

Alles, was Klöcker an Wissen aufgesammelt, hat er von "Reifen-Guru Günter" aufgegriffen, der einst vor 40 Jahren selbst Quereinsteiger war. Doch trotz aller Erfahrungen und Erlebnisse, die er bereits gemacht hat, hat sich Klöcker Ziele: "Ich würde ganz gerne mal länger in den USA arbeiten. Egal, ob Dragster, NASCAR oder IndyCar. Da bin ich offen. Ich will es einfach mal erleben."

Mit Bildmaterial von Nina Weinbrenner